Echte Teams statt Einzelkämpfer
Was die Heidelberger Interprofessionelle Ausbildungsstation (HIPSTA) so erfolgreich macht
Bereits in der Ausbildung Patientinnen und Patienten eigenverantwortlich und im Team versorgen – geht das? Auf der HIPSTA der Universitätsklinik Heidelberg ist das längst gelebter Alltag. Birgit Trierweiler-Hauke stellt das Erfolgsmodell auf der Fortbildung für Pflegende 2025 vor.

Als Birgit Trierweiler-Hauke zum ersten Mal von der Interprofessionellen Ausbildungsstation hörte, war sie gleich begeistert. „Sie brauchen gar nicht weiterreden – wir machen das“, unterbrach sie Prof. Mihaljevic, den für das Medizincurriculum verantwortlichen Oberarzt, der das Konzept mit ihr ausführlich besprechen wollte. „Mir war sofort klar, dass das ein Erfolgsmodell wird“, sagt sie heute. „Ich habe mich gefragt: Warum gab es das nicht schon während meiner Ausbildung?“
Konzept aus Schweden „importiert“
Neun Jahre liegt das Gespräch nun zurück, ein Jahr später – im April 2017 – startete die erste Heidelberger Interprofessionelle Ausbildungsstation, kurz HIPSTA, an der Universitätsklinik Heidelberg (UKHD). Dabei ist das Konzept keine Heidelberger Erfindung. Medizinstudierende hatten es bei einem Praktikum im Karolinska-Universitätskrankenhaus in Stockholm kennengelernt. „Hier gibt es interprofessionelle Lehrstationen schon seit knapp 30 Jahren“, berichtet Trierweiler-Hauke. Sie ist Leiterin der Pflege und interdisziplinären Bereiche an der Chirurgischen Klinik und der Klinik für Anästhesiologie am UKHD und hat das Projekt von Anfang an geleitet.
Die erste HIPSTA begann in der Chirurgischen Klinik – mit vier Pflegeauszubildenden im dritten Lehrjahr und vier Medizinstudierenden im Praktischen Jahr (PJ). Zusammen als Team versorgten sie weitestgehend selbstverantwortlich sechs chirurgische Patientinnen und Patienten – eng begleitet von erfahrenen Lernbegleitern und Praxisanleitern. „So lernen sie wirklich von Anfang an, interprofessionell zusammenzuarbeiten, auftauchende Probleme direkt zu besprechen und Entscheidungen im Team zu treffen“, sagt Trierweiler-Hauke. „Das schafft eine viel höhere Berufszufriedenheit.“ Integriert ist die HIPSTA dabei in eine chirurgische 36-Betten-Station.
HIPSTA gehört am UKHD mittlerweile zum Pflichteinsatz
Seit 2017 hat sich einiges getan. An der Uniklinik Heidelberg gibt es neben der chirurgischen HIPSTA zwei weitere: eine im Zentrum für Psychosoziale Medizin und eine weitere in der Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie gemeinsam mit den Internisten. Auch die Anzahl der Berufsgruppen wurde ausgeweitet: „Begonnen haben wir mit Pflegenden und Ärzten, seit 2019 sind Physiotherapeuten hinzugekommen und seit 2024 auch Pharmazie-Studierende“, sagt Trierweiler-Hauke. „Mittlerweile gehört die HIPSTA an unserem Klinikum sogar zum Pflichteinsatz für die Auszubildenden in der Pflege.“
In Deutschland war die Universitätsklinik Heidelberg das erste Krankenhaus, das dieses Konzept umsetzte. Inzwischen gibt es zahlreiche Nachahmer: Dazu gehören beispielsweise die NIPSTA am Universitätsklinikum Nürnberg, die OLIPSTA am Oldenburger Klinikum oder die IDA am Universitätsklinikum Düsseldorf (Interprofessionelle Düsseldorfer Ausbildungsstation). „Aktuell gibt es etwa 25 Standorte in Deutschland; auch in der Schweiz und in Österreich etabliert sich das Konzept langsam“, weiß Trierweiler-Hauke. Seit 2022 findet alle zwei Jahre die HIPSTA Konferenz statt, bei der sich Nachahmer und Interessierte austauschen, vernetzen und voneinander lernen können. In Gründung ist zudem ein IPSTA-Netzwerk im D-A-CH-Raum.
Junge Menschen erfolgreich binden
Für Trierweiler-Hauke ist das Konzept nicht nur ein wichtiger Baustein auf dem Weg zum Magnetkrankenhaus, sondern auch eine Chance, Mitarbeitende erfolgreich zu binden. „Junge Menschen möchten nicht mehr in hierarchischen Strukturen arbeiten, sie möchten mitentscheiden, mitdiskutieren und Selbstwirksamkeit erfahren“, sagt sie. Das alles könnten sie auf der HIPSTA und fühlten sich dort pudelwohl: Sie werden gehört und sie werden gesehen – vor allem von den Patienten. „Bei uns stehen sie in der ersten Reihe, und wir lassen sie agieren.“
Mit diesem Modell seien die jungen Menschen auch viel besser auf die Berufsrealität vorbereitet. „Ob in der Pflege oder Medizin – in der Ausbildung und im PJ sollen sie sich im Hintergrund halten und dann auf einmal alles selbst entscheiden können“, beschreibt Trierweiler-Hauke die aktuelle Situation. Mit der interprofessionellen Lehrstation lernen sie nicht nur, selbstständig zu arbeiten, sondern vor allem auch als Team zu agieren.
Dass das funktioniert, zeigen nicht nur erste Studienergebnisse, sondern auch die Bewerberzahlen auf den Stationen, denen die HIPSTA zugeordnet sind. Denn interprofessionelles Arbeiten macht Spaß, weiß Trierweiler-Hauke aus eigener Erfahrung: „Wenn es geklappt hat und man wirklich auf Augenhöhe gearbeitet hat, war ich am glücklichsten – auch wenn super viel zu tun war.“ Auch das ist ein Ziel, das die HIPSTA vermitteln möchte: „Es ist völlig legitim, während der Arbeit Spaß zu haben, sich gut zu fühlen und stolz auf das Geleistete zu sein.“
Text: Brigitte Teigeler
Mehr Mitarbeiterzufriedenheit durch interprofessionelle Zusammenarbeit? – Diskutieren Sie mit auf der Fortbildung für Pflegende am 18. November 2025!
Birgit Trierweiler-Hauke ist Referentin des Vortrags: „Heidelberger Interprofessionelle Ausbildungsstation HIPSTA – warum ist das Konzept so erfolgreich?“ (11.25 bis 12.00 Uhr).