„Da lohnt es sich mitzumachen“

Was das Zertifikat „Pflegeattraktiv“ für Pflegekräfte bedeutet

Pflegende gewinnen und langfristig halten? Das wollen viele Einrichtungen. Einen neuen Weg bietet das Zertifikat „Pflegeattraktiv“. Sabrina Roßius stellt das Konzept auf der Fortbildung für Pflegende 2024 vor und zeigt, wie Pflegende und Arbeitgeber profitieren.

Sabrina Roßius hat das Zertifikat „Pflegeattraktiv“ mit initiiert und ist Geschäftsführerin der neu gegründeten Pflegezert GmbH. (Foto: privat)

Adrian Kilb war zunächst skeptisch, als er vom geplanten Zertifikat hörte. „Ich habe mich gefragt: Und was bringt es, wenn wir uns ‚Pflegeattraktiv‘ nennen können?“ Der erfahrene Krankenpfleger arbeitet schon seit 26 Jahren im St. Josefs-Hospital Wiesbaden, kurz JoHo. Auch wenn er mit seinem Arbeitgeber zufrieden ist, sah er mit den Jahren „eine gewisse Ausweglosigkeit“ in der Pflege. Trotzdem wollte er bei der Kick-off-Veranstaltung zu „Pflegeattraktiv“ gerne dabei sein. Und war bald überzeugt, als er Sabrina Roßius zuhörte, die das JoHo auf dem Weg zum Zertifikat begleitete. „Da lohnt es sich mitzumachen“, war ihm schnell klar. „Dadurch hat man die Möglichkeit, etwas zu machen und mitzugestalten.“

Pflegende können aktiv mitgestalten
Das ist das Besondere an „Pflegeattraktiv“: Die Pflegenden nehmen aktiv Einfluss auf die Strukturen, Prozesse und Bedingungen, unter denen sie arbeiten. Dazu werden sie befähigt, gute Projekte durchzuführen, diese zu bewerten und bei Bedarf auch zu verändern. „Oft werde ich gefragt: Wird denn mit ‚Pflegeattraktiv‘ alles besser?“, sagt Sabrina Roßius, Mitinitiatorin des Zertifikats und Geschäftsführerin der neu gegründeten Pflegezert GmbH. „Nein, muss ich dann sagen, ‚Pflegeattraktiv‘ ist kein Pflaster, das alles heilt. Es ist eine Methode, die Pflegende befähigt und begleitet, die Pflege – auch mit mangelnden Ressourcen – gut zu gestalten.“

Der Bundesverband Pflegemanagement entwickelte das Konzept zum Zertifikat. Vergeben wird es durch die Pflegezert GmbH. Mittlerweile gibt es in Deutschland 52 Einrichtungen, die nach „pflegeattraktiv“ zertifiziert sind: 40 Krankenhäuser und 12 Einrichtungen der Langzeitpflege. Das JoHo hat im Juli 2024 das Zertifikat erhalten – als erstes Krankenhaus in Hessen. „Wir machen ‚Pflegeattraktiv‘, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern und attraktiv für alle Mitarbeitenden zu sein“, sagt JoHo-Pflegedirektor Arne Evers. Dabei ist das Projekt nicht nur auf die Pflege begrenzt, sondern schließt auch die Mitarbeitenden im OP, der Notaufnahme und im Kreißsaal mit ein.

Von der ersten Befragung bis zum Zertifikat
Anfang 2024 ging es los: Alle Pflegekräfte konnten in einer anonymisierten Befragung angeben, wo sie in ihrer Tätigkeit Verbesserungsbedarf sehen. Danach folgte eine Kick-Off-Veranstaltung, bei der die Ergebnisse dieser Umfrage vorgestellt und diskutiert wurden – mit etwa 40 Teilnehmenden unterschiedlicher Berufsgruppen. Gemeinsam wurden anhand vorgegebener Überthemen sechs Handlungsfelder für Projekte identifiziert und Arbeitsgruppen gebildet. Diese entwickelten Projektpläne, die in den folgenden drei Jahren konkrete Verbesserungen bringen sollen. Dabei geht es zum Beispiel um eine einheitliche interprofessionelle Meetingkultur, die Förderung des eigenen Gesundheitsverhaltens oder das generalistische Boarding und Bonding nach der Ausbildung.

Die Arbeitsgruppen sind interprofessionell besetzt und treffen sich regelmäßig in der Arbeitszeit. Viele Pflegende des Klinikums sind vertreten. „Im Laufe der Treffen hat man gemerkt: Das macht richtig Laune“, sagte eine Pflegende auf der Zertifikatsverleihung. „Ich freue mich auf das, was kommt und habe Lust, etwas zu verändern und die Zukunft mitzugestalten.“

Die Arbeitsgruppen arbeiten in den nächsten zweieinhalb Jahren weiter an ihren Projekten. Das Zertifikat wurde trotzdem schon sechs Monate nach dem Start von „Pflegeattraktiv“ für den entstandenen Maßnahmenplan verliehen. Dazu kam Sabrina Roßius extra nach Wiesbaden. „Das Zertifikat ist als Vertrauensvorschuss auf dem nun anstehenden Weg zu sehen“, sagt sie. Dies setze voraus, dass die Erreichung von Meilensteinen gemeinsam im Blick behalten werde. Es gehe allerdings weniger um perfekte Projektpläne oder Konzepte. „Die Rahmenbedingungen – rechtlich, finanziell und politisch – ändern sich ständig. Das ist unser Alltag. Wir müssen also unsere Resilienz und die eigene Kondition stärken“, sagt sie. „Es geht um das Mindset, also um Haltung, verbunden mit Kompetenz.“ Die Pflegezert GmbH wird den Prozess weiter begleiten und auch regelmäßig vor Ort sein.

„pflegeattraktiv“ in die Teams bringen
Auch Adrian Kilb freut sich auf den weiteren Weg. Er ist stolz, mit dabei zu sein, gehört zu werden und Wertschätzung zu erfahren. „In den Arbeitsgruppen herrscht eine sehr gute Stimmung“, findet er. Aufgabe sei es jetzt, diese Aufbruchstimmung in die Teams zu bringen. „Ich bin dankbar, dass ich mitgestalten kann und dafür auch freigestellt werde.“

Text: Brigitte Teigeler

Höhere Mitarbeiterzufriedenheit durch mehr Mitgestaltung? – Diskutieren Sie mit auf der Fortbildung für Pflegende am 15. November 2024!

Sabrina Roßius ist Referentin des Vortrags:
„Pflegeattraktiv – der neue Standard für alte Probleme“ (11 bis 11.35 Uhr).

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