„Wir brauchen mehr Pflege-Spirit“

Für eine starke Pflege und gute interprofessionelle Zusammenarbeit

Joachim Prölß begleitet die Fortbildung für Pflegende seit vielen Jahren. Wir sprachen mit ihm, warum die Veranstaltung gerade für junge Pflegende so wichtig ist und was es braucht, um den Pflegeberuf attraktiver zu machen.

Joachim Prölß ist Direktor für Patienten- und Pflegemanagement und Vorstandsmitglied am UKE. Auch ist er stellv. Vorstandsvorsitzender der B. Braun-Stiftung, der er seit vielen Jahren verbunden ist. Er hat viele Programme der Stiftung mit- und weiterentwickelt. Die Fortbildung für Pflegende moderiert er in diesem Jahr zum vierten Mal.
(Foto: UKE)

Herr Prölß, auf welchen Vortrag freuen Sie sich in diesem Jahr besonders?
Das ist gar nicht mal so einfach – bei dem gelungenen Mix an Themen und den sehr guten Referenten, die wir immer haben. In diesem Jahr freue ich mich besonders auf den Vortrag „Mythen und Fakten rund um die Pflegeausbildung“ von Carsten Drude – das wird bestimmt kurzweilig. Auch bin ich sehr gespannt auf die Schauspielerin Julia Hansen mit ihrem Impuls „Begegnung mit der Stimme“.

Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere an der Fortbildung für Pflegende?
Das sind zwei Dinge: 1. Es kommen viele junge Pflegende und Auszubildende. Oft sind sie zum ersten Mal auf einer so großen Veranstaltung. Das ist auch eines der Ziele: junge Menschen in der Pflege an Kongresse und Tagungen heranzuführen. 2. Es ist eine Veranstaltung, die nichts kostet. Auch das ist eine Besonderheit – gerade bei der hohen Qualität, die geboten wird. Gelegentlich diskutieren wir im Programmteam, ob es sinnvoll wäre, eine geringe Teilnahmegebühr zu erheben. In diesem Jahr wird die Fortbildung aber noch kostenfrei sein.

Warum braucht es auch in digitalen Zeiten Präsenzveranstaltungen wie diese?
Wir haben in der Corona-Pandemie viel über digitale Formate gelernt und vieles ausprobiert. Das war gut, dennoch kann eine digitale Fortbildung eine Vor-Ort-Veranstaltung nicht ersetzen. Ich merke selbst, wie leicht ich mich ablenken lasse, wenn ich vor dem Rechner sitze. Präsenz bedeutet eine andere Aufmerksamkeit. Zudem lerne ich neue Menschen kennen, kann mich austauschen und vernetzen – genau das braucht es, um von einer Veranstaltung zu profitieren.

Sie sind stellv. Vorstandsvorsitzender der B. Braun-Stiftung – und das neben Ihrer Tätigkeit als Direktor für Patienten- und Pflegemanagement und Vorstandsmitglied am UKE. Warum ist Ihnen dieses Engagement wichtig?
In meiner Rolle am UKE bin ich in der Verantwortung, die Pflegeentwicklung und die Bedeutung der Pflege im interprofessionellen Setting voranzutreiben. Das ist auch ein Ziel der B. Braun-Stiftung. Mit tollen Formaten und Programmen legt sie den Fokus auf interprofessionelles Arbeiten sowie die Persönlichkeitsentwicklung junger Führungskräfte. Meist kommen Pflegende, Mediziner und Mitarbeitende der Verwaltung dabei direkt zusammen. Das ist großartig, und es macht Spaß, das weiterzuentwickeln. Auch kann ich als Klinikvertreter wichtige Impulse in die Stiftung bringen.

Was braucht es in den Kliniken, um die interprofessionelle Zusammenarbeit zu verbessern?
Das ist ein Thema, das mich seit vielen Jahren leitet – dass die Berufsgruppen im Sinne einer guten Patientenversorgung und einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit zusammenarbeiten. Verantwortung muss geteilt sein. Eine Voraussetzung ist, dass die Pflege in der obersten Leitungsebene vertreten ist. Nur dann lässt sich Interprofessionalität leben und einfordern. Darüber hinaus braucht es eine gemeinsame Kultur der Zusammenarbeit, gemeinsame Normen und Werte und im besten Fall auch gemeinsame Führungsweiterbildungen. Und vor Ort müssen gute Strukturen entwickelt werden. Das fängt bei der Visite an. Oft ist es doch noch so: Die Pflege soll sich an der Visite beteiligen, wird aber gar nicht gefragt, sondern soll nur mitgehen. Hier gilt es, zusammen einen guten Ablauf und eine neue Besprechungskultur zu etablieren.

Wie kann der Pflegeberuf nachhaltig gestärkt und attraktiver gemacht werden?
Wichtig ist vor allem, den Pflegeberuf in der Öffentlichkeit realitätsnah darzustellen. Ich habe gerade heute einen Bericht im Radio gehört – da gab es so vieles, was nicht stimmte. Vor allem das „Schwere“ des Pflegeberufs wurde thematisiert, aber nicht das Professionelle, Schöne und Vielfältige. Man muss nichts schönreden, aber Pflege besteht nicht aus Schwarz oder Weiß, sondern aus 1000 Farben, die wir beschreiben sollten. Zwar ist mittlerweile bekannt, wie wichtig Pflege für das Gemeinwohl ist. Es muss aber aufhören, dass unser Beruf schlechtgeredet wird und wir die Jammerfraktion der Nation sind. Selbst wenn wir es am Deutschen Pflegetag mal für 60 Sekunden in die Tagesschau schaffen, ist alles sehr problembeladen und negativ. Aus diesem Jammertal müssen wir herauskommen.

Welche drei Dinge in der Pflege würden Sie gerne ändern?
1. Ich wünsche mir, dass sich die Pflegenden ihren Spirit, den sie zu Beginn der Ausbildung hatten, nicht nehmen lassen – auch wenn die Rahmenbedingungen nicht immer gut sind. Dass sie sich daran erinnern, warum sie diesen tollen Beruf gewählt haben. In welchem Beruf bekommt man so viel zurück, wenn man seine Arbeit gut macht, wie in der Pflege?
2. Ich wünsche mir mehr berufspolitisches Engagement. Das bedeutet: Wir haben die Verantwortung für unseren Beruf und müssen aufhören, auf andere zu schimpfen und uns in der Opferrolle zu sehen. Kurz: Wir brauchen mehr Pflege-Spirit!
3. Ich wünsche mir, dass Pflegevertreter einbezogen werden, wenn politische Entscheidungen zur Pflege getroffen werden. Nur ein Beispiel: Ab dem 1. Januar 2025 soll das Pflegebudget so verändert werden, dass Servicekräfte und andere Mitarbeitende, die die Pflegende entlasten, nicht mehr über das Pflegebudget abgerechnet werden können. Aus Managementsicht ist das absurd. Es braucht also eine gute Pflegepolitik, die nah an den echten Verbesserungen ist.

Interview: Brigitte Teigeler

Seien Sie mit dabei auf der Fortbildung für Pflegende am 15. November 2024!

Joachim Prölß begleitet die Fortbildung für Pflegende seit vielen Jahren.
Er führt auch in diesem Jahr wieder durch das Programm.

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