„Die Auszubildenden
haben die Vorteile der Generalistik erkannt“

Mythen und Fakten rund um die neue Pflegeausbildung

Seit fast fünf Jahren läuft die generalistische Ausbildung. Doch noch immer gibt es kritische Stimmen. Bildungsexperte Carsten Drude räumt auf der Fortbildung für Pflegende 2024 mit einigen typischen Mythen auf.

Carsten Drude ist Vorsitzender des Bundesverbandes Lehrende Gesundheits- und Sozialberufe (BLGS) e.V. und Geschäftsführer des Bildungszentrums Gesundheit und Soziales der Alexianer GmbH, eines der größten katholischen Gesundheitsunternehmen in Deutschland. (Foto: Marten Ronneburg)

Herr Drude, was ist ein typischer Mythos zur generalistischen Ausbildung?
Eine wiederkehrende Behauptung ist, dass das Qualifikationsniveau der neuen Ausbildung gesunken sei. Das ist interessanterweise ein Mythos, der bei jeder Ausbildungsreform neu aufgelegt wird: „Früher war die Ausbildung viel schwieriger und komplexer.“ Aus meiner Sicht ist das nicht haltbar. Eine weitere Behauptung ist, dass die Zahl der Ausbildungsabbrüche aufgrund der Generalistik gestiegen sei.

Ist das nicht der Fall?
Nein, wir haben zwar einen Rückgang an Bewerbern in der Pflege – das gilt aber für alle Branchen gleichermaßen, wie Zahlen von Destatis zeigen. Tatsächlich liegen die Abbruchquoten nicht höher als in anderen Ausbildungsberufen, tendenziell sogar etwas niedriger – und das trotz der Corona-Pandemie. Das hat die Landesberichterstattung Gesundheitsberufe Nordrhein-Westfalen 2023 eindeutig gezeigt. Auch dieser Mythos ist also nicht haltbar.

Was sind weitere Mythen zur Generalistik?
Eine Sorge war, dass Pflegende massenweise von der Altenpflege in die Krankenhäuser abwandern könnten. Solche Wechsel kommen zwar vor, sind aber nicht besonders häufig. Auch gab es Bedenken, dass die pädiatrische Pflege zusammenbrechen könnte. Das hat sich ebenfalls nicht bewahrheitet. Zwar wählen nur sehr wenige Auszubildende den Abschluss „Gesundheits- und Kinderkrankenpflege“. Dennoch ist eine Vertiefung in diesem Bereich beliebt. In unseren Einrichtungen der Alexianer GmbH haben wir die gleiche Anzahl an Auszubildenden, die sich für eine Vertiefung in der Pädiatrie entschieden haben, wie wir früher Auszubildende in der Kinderkrankenpflege hatten.

Was ist Ihre Einschätzung als Experte: Wie gut ist die generalistische Ausbildung?
Die Generalistik ist besser als ihr Ruf. Die Grundidee ist, dass die Auszubildenden möglichst viele Bereiche der Gesundheitsversorgung kennenlernen und dafür qualifiziert sind. Diesen Ansatz nehmen die Gesundheitsschulen sehr ernst und setzen ihn gut um. Es hakt mitunter an anderen Dingen. Auszubildende mit Migrationshintergrund müssen zum Beispiel sehr gut begleitet und in ihrer Sprachkompetenz gefördert werden. Auch der Bedarf an sozialpädagogischer Begleitung ist gestiegen. Ich werde immer häufiger gebeten, mich dafür einzusetzen, dass Sozialarbeiter in die Regelfinanzierung aufgenommen werden. Das ist bislang, außer im Land Berlin, noch nicht der Fall.

Ende 2025 wird der Bundestag entscheiden, ob die drei getrennten Abschlüsse abgeschafft oder beibehalten werden. Was empfehlen Sie?
Die Statistik hält die Antwort eigentlich schon parat. Destatis hat im Juli 2024 die Zahlen zum ersten Abschlussjahrgang der generalistischen Pflegeausbildung veröffentlicht. 99 Prozent haben sich für den generalistischen Abschluss als Pflegefachfrau bzw. Pflegefachmann entschieden. Das zeigt: Die Absolventen haben die Vorteile der Generalistik erkannt. Auch wir empfehlen unseren Auszubildenden, den generalistischen Abschluss zu wählen, um sich möglichst viele Optionen offenzuhalten. Sie können ja trotzdem eine Vertiefung in ihrem favorisierten Bereich wählen und die meiste Zeit dort verbringen.

Ein Ziel der generalistischen Ausbildung war, den Pflegeberuf attraktiver zu machen. Ist das gelungen?
Ich denke ja, auch wenn wir mit anderen Branchen um immer weniger Bewerber konkurrieren. Für den Pflegeberuf ist es die richtige Entscheidung: Wir brauchen breit aufgestellte Menschen, die in vielen Bereichen des Gesundheitswesens arbeiten können. Ich bin ein großer Befürworter der Spezialisierung, aber nicht in der Grundausbildung, sondern danach. Hier würde ich den Einrichtungen empfehlen, sich mit den Schulen zusammenzusetzen und gute Anschlussqualifizierungen anzubieten. Sehr geeignet ist auch ein Trainee-Programm nach dem Examen, bei dem die Teilnehmenden mehrere Stationen durchlaufen können. Das kommt in unseren Einrichtungen sehr gut an!

Interview: Brigitte Teigeler

Wie gut ist die generalistische Ausbildung? – Diskutieren Sie mit auf der Fortbildung für Pflegende am
15. November 2024!

Carsten Drude ist Referent des Vortrags:
„Generalistik: Mythen und Fakten rund um die Pflegeausbildung“ (9.10 bis 9.45 Uhr).

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